10 Tipps und Tricks für Beteiligung von Kindern im Kulturbetrieb

Bei PROPS gehen raus übernehmen Kinder zwischen 9 und 12 Jahren die künstlerischen Entscheidungen: Dabei entsteht mit „Don’t stop dreaming“ nicht nur ein professionelles Theaterstück, sondern auch Räume, in denen Kinder ihre Perspektiven einbringen und Verantwortung übernehmen können. Diese Erfahrungen zeigen, wie wirkungsvoll echte Beteiligung sein kann. Manchmal braucht es dafür nur kleine Impulse – hier unsere unvollständige, aber praxiserprobte Liste von 10 Tipps zur Kinderbeteiligung. Und welche Rolle wir als Team dabei spielen.

  • Immer wieder Transparenz schaffen: Kinder profitieren von Klarheit: Wo stehen wir im Prozess? Was passiert heute? Tagespläne, To-do-Listen, Ideenspeicher und Fragenparkplätze geben Orientierung und sichern Gedanken der Kinder. Tagespläne sollten auch Flexibilität und Mitbestimmung zulassen!

  • Interventionen zulassen und fördern: Kinder kommen von einem fordernden System (Schule) in ein anderes forderndes System (Theater). Trotz aller guten Planung kann das manchmal zu viel sein. Hier hilft es, Interventionen möglich zu machen: Mit Symbolen für Pause oder Verständnisfragen und Joker Karten, die gezückt werden können für gemeinsames Spielen, Snacken, Bewegung oder einem Check-In für eine bedürfnisorientierte Probengestaltung.

  • Raumgestaltung: Ein Rückzugsort wie eine Chillecke hilft bei Pausen und Selbstregulation. Erwachsene sollten Kapazitäten nicht vorgeben, sondern Kindern zutrauen, selbst einzuschätzen, wann sie wieder in den Prozess einsteigen können. Vertrauen geht da vor Taktung. Wenn sie wirklich das Gefühl haben, mitbestimmen zu können und die Konsequenzen ihrer Beteiligung spüren, so werden sie selbstbestimmt wieder in den Probenprozess zurückkehren.

  • Snacks und Spiele: Brauchen alle, nicht nur Kinder. Und zwar von beidem gern viel.

  • Proben nur am Wochenende und in den Schulferien: Wochenenden und Schulferien eignen sich besser für konzentrierte Proben als Wochentage nach der Schule. So entsteht mehr Raum für kreative Prozesse ohne Zeitdruck.
  • Beteiligung differenzieren: Nicht alle Entscheidungen müssen kleinteilig im Konsens getroffen werden, aber alle sollten möglichst immer über Entscheidungen Bescheid wissen. Wichtig ist Transparenz: Welche Entscheidungen treffen Kinder selbst (z.B. künstlerische Entscheidungen)? Wo machen sie Vorschläge (z.B. Öffentlichkeitsarbeit)? Und wo sind Erwachsene verantwortlich – etwa bei Budget oder Druckprodukten? Beteiligung heißt auch, diese Ebenen offen zu kommunizieren.

  • Entscheidungen prüfen: Mehrheitsentscheide sind nicht immer ideal, da sie immer Mehr- und Minderheiten produzieren. Stattdessen: Bedürfnisse hinter Standpunkten ergründen, Diskussionskultur stärken, Raum für leisere Stimmen schaffen. Ein bewusster Aushandlungsprozess, z.B. durch Konsensieren, hält Kinder motiviert und stärkt die Gruppe.

  • Kollektiv Regieführen: Mit 15 Kindern vom Text zur Szene? Improvisationen helfen beim Einstieg. Beobachtungsgruppen geben gemeinsam formuliertes Feedback. Oftmals eigneten sich die Kinder den Regieprozess an, indem sich die Fragestellungen verändert haben: Von Entscheidungsfragen („Wollt ihr diese Bewegung größer?“) zu offenen Fragen („Was sollte die Figur machen?“) hinzu übergeordneten dramaturgischen Fragen („Was erzählen wir? Wie erzählen wir das? Warum ist das wichtig?“).

  • Wohlfühlen und Sicherheit: Struktur gibt Halt: Jede Probe beginnt mit einem Check-In („Wie bist du heute da?“), z. B. mit Emotionskarten oder Smileys, und endet mit einem Check-Out. Zwei Ansprechpersonen stehen für Anliegen und Diskriminierungsschutz bereit. Gruppenregeln und Access Rider (siehe Kapitel 4) fördern ein wertschätzendes Miteinander.

  • Adultimuskritische Einstellung: Ernst gemeinte Beteiligung braucht adultismuskritisches Denken. Das bedeutet: Macht reflektieren, Verhalten im Team regelmäßig feedbacken und die eigenen Erwartungen an kindliches Verhalten hinterfragen.

Das Leitungsteam als Vertrauensschaffende

Wichtig war es dabei, aktiv Vertrauen in alle Richtungen zu schaffen und zu halten sowie zwischen allen Projektbeteiligten zu vermitteln. Dies ist eine der Kernaufgaben des Leitungsteams. Und das auf verschiedenen Ebenen:

Das Vertrauen der Teilnehmer*innen darin, dass wir sie ernst nehmen, dass wir den Plan für das Projekt haben und bereit sind, gemeinsam Erfahrungswerte zu schaffen.

Das Vertrauen der Eltern darin, dass ihre Kinder bei uns in guten Händen sind, wir pädagogisch wertvoll arbeiten und wir uns an alle Absprachen halten.

Das Vertrauen des Theaters, seiner Mitarbeiter*innen und der Darsteller*innen darin, dass wir die Einrichtung und ihre Arbeit und Abläufe mit Respekt behandeln. Wir kommen weder unvorbereitet, noch verlangen wir das Unmögliche.

Und das Vertrauen der Kooperationspartner*innen und Geldgeber darin, dass dieses Projekt seine pädagogischen Ziele erreichen wird und das Geld gut angelegt ist – so wie es unsere Ziele vorsehen.

.Fotos: Sabine Alex

Kinder haben das Wort! Wege zu einer adultismuskritischen Haltung 

Adultismus bezeichnet die Diskriminierung von Kindern durch Erwachsene aufgrund ihres Alters. Der Begriff leitet sich vom englischen „adult“ (Erwachsene*r) ab und beschreibt eine tief verwurzelte gesellschaftliche Machtstruktur. Diese zeigt sich, wenn Erwachsene Kinder bevormunden, ihre Perspektiven ignorieren oder Entscheidungen ohne ihre Beteiligung treffen – oft in der Annahme, allein aufgrund ihres Alters klüger oder kompetenter zu sein.

Gesellschaftliche Strukturen und Institutionen sind dabei häufig so aufgebaut, dass Erwachsene Deutungs- und Entscheidungshoheit über das Leben von Kindern haben – in Kitas, Schulen, im Gesundheitswesen, in der Freizeitgestaltung, der Gestaltung öffentlicher Räume sowie in den Medien und im öffentlichen Diskurs. Kinder werden hier oft romantisiert („süß“), problematisiert („stur“) oder durch geschlechtliche und rassistische Stereotype vereinfacht dargestellt, statt als komplexe Persönlichkeiten anerkannt zu werden.

Adultismus steht dabei vermeintlich im Spannungsfeld mit der (rechtlichen) Fürsorgepflicht durch Erwachsene. Doch Fürsorge bedeutet eben nicht Bevormundung, sondern auch, Kinder altersgerecht in Entscheidungen, Prozesse und Regelfindungen einzubeziehen – inklusive der damit verbundenen Unsicherheiten und Dilemmata, denn auch Erwachsene wissen nicht alles. Partizipation stärkt Kinder in ihrer Autonomie und kann Machtgefälle abbauen. Konkret heißt das:

Kindern altersgerecht Informationen als Entscheidungsgrundlage vermitteln,

ihre Gefühle, Bedürfnisse und Meinungen ernst nehmen,

ihre Rechte nicht gegeneinander ausspielen.

Kinder haben wie Erwachsene ein Recht auf Selbstbestimmung – dieses darf nur aus guten Gründen im Sinne von Schutz und Erziehung eingeschränkt werden und sollte kindgerecht erklärt werden. Das bedeutet nicht, dass Erwachsene ihre Bedürfnisse komplett zurückschrauben müssen oder Kinder alles alleine machen sollen. Viel eher fokussiert partizipative Fürsorge den Ansatz, Kinder zu ihrer Autonomie zu befähigen und fördernd zu begleiten.

    Die UN-Kinderrechtskonvention von 1989 teilt Kinderrechte in Schutz, Förderung und Teilhabe ein. Diese Prinzipien sind gleichwertig: Teilhabe darf nicht dem Schutz geopfert werden – und umgekehrt. Partizipation muss also gelernt und gelebt werden – durch gemeinsame Erfahrungen von Kindern und Erwachsenen. Dafür ist es zentral, dass Kinder ihre Rechte kennen und Erwachsene als deren Vermittler*innen auftreten. Und dass Erwachsene bereit sind, ihre Haltungen und Handlungen gegenüber Kindern kritisch zu hinterfragen und zu verändern.

    Das Kindertheater kann ein Ort machtkritischer Ermächtigung sein, hier entdecken und gestalten Kinder Handlungsspielräume. Doch oft entscheiden Erwachsene, was gezeigt wird, spielen Kinderrollen selbst und setzen Regeln. Kulturschaffende sollten reflektieren, welche Inhalte sie wie theatral aufbereiten und welche Bilder von Kindern sie vermitteln – und ob Kinder überhaupt als aktiv Handelnde erscheinen dürfen, auf der Bühne und im Publikum. Theater als sozialer Raum sollte altersgemäßes Verhalten berücksichtigen, seine Regeln hinterfragen und kindlichen Ausdruck als Teil des sozialen Raumes aktiv einbinden, statt erwachsene Perspektiven zu verordnen und damit mitunter das Gefühl zu vermitteln, vielleicht etwas falsch gemacht oder nicht verstanden zu haben. 

    Wie jede Form von Diskriminierung erfordert auch die Auseinandersetzung mit Adultismus einen bewussten, andauernden Prozess – mit dem Empowerment von Kindern, struktureller Veränderung und der Bereitschaft, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Das GRIPS Theater folgt dem Prinzip des emanzipatorischen Kindertheaters, bündelt viel Expertise in diesem Genre und misst der Beteiligung von Kindern große Bedeutung bei. Mit „Don’t stop dreaming“ geht es einen nächsten Schritt: Kinder werden nicht nur als Rezipient*innen, sondern auch als Produzent*innen befähigt. So entwickelt sich das Theater gemeinsam mit seinen Inhalten und Arbeitsweisen zu einem adultismuskritischen Ort weiter.

    Fotos: Ruth Hundsdoerfer